Dr. Barbara Stark // zur Malerei von Nicole Bold // 2005

Zur Malerei von Nicole Bold

Text von Dr. Barbara Stark

Nicole Bolds zumeist großformatige Gemälde entstehen in langsamen Schaffensprozessen. Farbschichten legen sich schleiergleich übereinander, verdichten sich zu Linien und Formen. Immer wieder korrigiert die Künstlerin, überarbeitet, modifiziert. Die Bildidee, die am Anfang stand, konkretisiert sich aufgrund des sukzessiven Vorgehens in einer offenen, ja improvisiert anmutenden Art und Weise.

Nicole Bold versteht ihre Malerei als einen Akt kontinuierlicher Erkenntnisentwicklung. Ihr gestaltendes Vorgehen korrespondiert mit dem Sujet der Arbeiten, in denen – im weitesten Sinn – die Auseinandersetzung mit Naturhaftem und Landschaftlichem ein ebenso zentrales Anliegen ist wie sie auf formaler Ebene versucht, die Malerei als peinture zu gestalten. Malerei als Möglichkeit, im Sichtbaren das Unsichtbare mitzudenken und umgekehrt das Unsichtbare zum Gegenstand ästhetischer Erfahrung zu machen.

Einfache, diffuse Farbrelationen bilden zumeist den Fond von Nicole Bolds Kompositionen. Andersfarbige Flächen, Formen und Linien legen sich als mehrschichtiges Gitterwerk darüber. Das Changieren zwischen bestimmter und unbestimmter Form, zwischen zeichenhafter und abstrahierter Darstellung findet in der Raumbehandlung eine Entsprechung. Auffallend ist die sich auf der Leinwand vollziehende malerische Durchdringung von optisch zurücktretenden, sozusagen tieferliegenden, abgesunkenen und schwer differenzierbaren Partien mit hervortretenden, konkret anmutenden Teilen.

Diese Bilder treiben ein doppeltes Spiel. Einerseits suchen sie die Auseinandersetzung mit der Tiefe des Bildraumes, anderseits beziehen sie sich ganz bewußt auf die zweidimensionale Fläche. Diesen Widerspruch kalkuliert die Künstlerin ein; mehr noch, diese Irritationen und Brüche müssen spürbar sein, ohne dass jedoch sofort erkennbar sein soll, was es konkret ist, das sie hervorbringt, erzeugt.

Unübersehbar ist der lyrische Grundton, der Nicole Bolds Gemälden eigen ist. Wodurch er entsteht, ist schwer benennbar. Sind es die subtil aufeinander abgestimmten Farbklänge, die ihn erzeugen? Ist es die zum Ornamentalen tendierende Formen-und Liniensprache, die so leichtfüßig daherkommt und sich so gar nicht an die Gesetze der Erdenschwere halten will? Ist es die Differenz, die zwischen räumlicher Transparenz und komprimierter Flächenstruktur klafft? Es ist wohl von allem etwas…

Nicole Bolds Gemälde überzeugen durch die Beherrschung der malerischen Mittel, durch ihr differenziertes Kolorit und durch ihre formale Modulation. Die harmonische und doch spannungsvolle Verbindung von Form – Farbe – Sujet bringt Bilder hervor, die durch Lebendigkeit und Sinnlichkeit bestechen und dennoch an keinem Punkt der reflexiven Kontrolle entbehren. Nicole Bolds Werke erzählen Geschichten, ohne mit Details zu belasten. Die Ambivalenz der Bildfindungen erzeugt ästhetische Spannung und kreative Irritation. Schönheit wird auf der Suche nach dem Mehrdeutigen Gestalt verliehen. Eine Gestalt, die sich in der Vorstellung ständig ändert. Nicole Bold malt Bilder, die der empirischen Gewißheit den Boden entziehen, um zu einem Feld von Emotionen und Assoziationen natürlicher Entstehungs- und Vergänglichkeitsprozesse vorzudringen. Es sind Bilder, die der Vorstellungskraft des Betrachters viel Freiraum lassen und ihn verlocken, hinter dem Sichtbaren nach dem Unsichtbaren zu suchen.